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Mit der Aufsplitterung der Bonneville in die 900er-Street-Modelle und die von einem neu entwickelten 1,2-Liter-Zweizylinder befeuerten größeren T-120-Modelle kann Triumph seine Klassik-Baureihe seit dem vergangenen Jahr noch weiter auffächern.
Montag, 14. August 2017 12:34
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Ein Ergebnis ist in diesem Jahr die Bonneville Bobber – für viele Enthusiasten ein Paukenschlag in der an Schönheiten nicht raren Modellpalette der „Modern Classics“.
So musste Triumph auch für den deutschen Markt rasch Fahrzeuge nachordern. Statt erwarteter rund 250 verkaufter Maschinen im ersten Halbjahr waren es fast 200 Prozent mehr.
Der Zweizylinder präsentiert sich in der Bobber als sei er eigens für sie erfunden worden. Unter mächtig Dampf aus den beiden exakt 600 Kubikzentimeter großen Kesseln schiebt die zweirädrige BB unter dumpfem Grollen unaufhaltsam und kräftig wie ein Ozeanriese vorwärts. Ab 1800 U/min läuft der Twin rund, ab 2300 Touren darf fürs untertourige Cruisen bereits der Gang gewechselt werden. Ansonsten stampfen die Kolben linear durchs Drehzahlband. Die Schaltwege sind angenehm kurz und die Getriebestufen rasten unter einem dumpfen Klacken stets präzise ein.
Gegenüber den anderen Modellen der Baureihe wurden der neuen Bonneville-Variante drei Pferde gestohlen sowie die Drehzahl für die Spitzenleistung um 450 Umdrehungen in der Minute abgesenkt. Im Gegenzug stieg das ohnehin schon üppige Drehmoment nochmals um ein Newtonmeter bei fast 1000 Touren mehr. Die um 8 km/h niedrigere Endgeschwindigkeit spielt in diesem Segment keinerlei Rolle. Naturgemäß lassen sich auf einer derart nackten Maschine dauerhaft ohnhein nur 120 bis 140 km/h auf dem deutschen Motorway aushalten (und auf der englischen Autobahn sind ja sowieso nur 110 km/h erlaubt). Ab 3800 U/min und Tempo 140 beginnt der Paralleltwin dann ohnehin auch langsam an, an den Lenkerenden und den Fußrasten zu kribbeln. Zwischen 2800 und 3500 U/min fühlt sich der Bobber-Motor am wohlsten. Bei 3000 bis 3200 Touren lässt sich mit 110, 120 km/h ganz entspannt über die Autobahn gleiten.
So wenig man sich an dem Sound des mit 270 Grad Hubzapfenversatz arbeitenden Triebwerks satt hören kann, so wenig kann man sich an den feinen Details der abgespecktesten Bonneville und ihrem old-fashioned Style satt sehen. Mehr noch als bei allen anderen Bonnies muss man bei dieser schon genau hinschauen, um sie nicht im falschen Jahrzehnt, Jahrhundert und Jahrtausend zu lokalisieren. Die Eyecatcher reichen vom verchromten Tankdeckel mit „Triumph Motorcycle“-Schriftzug über die gefakten Vergaser und Fußrastengummis mit eingraviertem Markennamen bis hin zur Abdeckung von Kühlmittelausgleichs- und hinterem Bremsflüssigkeitsbehälter. Letztere kann man schöner wohl kaum gestalten. Die Haltung auf der einsitzigen Doppel-B ist relaxt, die Beine positionieren sich im rechten Winkel. Der tief liegende Lenker streckt sich dem Bobber-Kapitän willig entgegen. Der verschiebbare und ausladend gestaltete Sattel ist entgegen des ersten Anscheins (noch eine geschickte Fälschung) nicht gefedert, sondern lediglich über dem Zentralfederbein platziert.
Die Triumph Bonneville Bobber ist straff, aber nicht übertrieben hart gedämpft. Sie ist mit ihrem 19-Zoll-Vorderrad kein ausgewiesener Schräglagenjäger (und will es auch gar nicht sein), macht in Kurven aber dennoch eine gute Figur – zumal die Bobber überraschenderweise kaum Anzeichen eines Aufstellmoments beim Bremsen zeigt. Der ab Werk aufgezogene Avon Cobra bietet eine hervorragende Rückmeldung und setzt kleinste Lenkbefehle unmittelbar und punktgenau um. Hinten kann der englische Reifen angesichts der Motorperformance nicht ganz hundertprozentig mit
seinem vorderen Pendant mithalten. Für nicht so gripfesten Belag bietet die Bobber aber die Option auf den „Rain“-Modus, der durch einfaches Tippen am rechten Lenkerende und einmaliges Kuppeln aktiviert wird.
State of the Art ist der Rundtacho mit implantierter kleiner Digitalanzeige, die permanent den eingelegten Gang und den Spritvorrat anzeigt. Als Wechselinformationen lassen sich Kilometerstand, Momentan- und Durchschnittsverbrauch, die Uhrzeit und die Drehzahl abrufen. Lob verdienen der benutzerfreundliche Ausleger des Seitenständers und die vorbildlichen Rückspiegel an den Lenkerenden, die mit zu den besten gehören, die wir kennen. Weniger erfreulich: Der Tank sieht etwas größer aus als er mit seinen weniger als zehn Litern ist. Nach 130 bis 140 Kilometern sollten Bobber-Fahrer die nächste Zapfsäule ansteuern, da sich dann die Reserveleuchte meldet.
Fazit: Triumph hat mit der Bobber bewiesen, dass der markentypische Classic-Gedanke auch nach Jahren noch Raum für (die eine und vielleicht auch noch andere) Überraschung bietet. Hier passt so gut wie alles. Motor und Optik sowie Performance der Bonneville Bobber begeistern. Der Run auf den jüngsten Spross der T-120-Baureihe ist da nur allzu verständlich. (ampnet/jri) Von Jens Riedel, cen
Daten Triumph Bonneville Bobber