Von Jens Riedel
Gigades aus dem sächsischen Zittau ist vielen Autofahrern längst bekannt – zumindest indirekt. Die Firma mit ihren 170 Mitarbeitern entwickelt und produziert unter anderem Fernbedienungen für Fahrzeuganwendungen. Das reicht von der in den Autoschlüssel intergrierten Bedienung der Standheizung zum Beispiel bei Volkswagen und der Fernbedienung für das Infotainment im Bentley Mulsanne bis zur Funksteuerung von Garagentoren des europäischen Marktführers Hörmann. Auch ein Teil der Steuerungselektronik für die Kraftstoffpumpe in BMW-Motorrädern kommt von dem Unternehmen.
Als leidenschaftlicher Motorradfahrer, Elektromechaniker und studierter Nachrichtentechniker begann Firmengründer Lutz Berger vor rund zwei Jahren, sich auch des Themas E-Call für Zweiräder anzunehmen. Während BMW sein System als optionale Sonderausstattung ab Frühjahr 2017 für spezielle Modelle anbieten wird, kann D-Guard bei nahezu allen neuen und alten Motorräden nachgerüstet werden und steht mit seiner OEM-Fähigkeit auch anderen Herstellern für die Serienfertigung in Erstausrüsterqualität zur Verfügung.
Grundlage des Biker-E-Calls ist ein Sensor, der verschiedene Parameter wie Lage des Motorrads, Geschwindigkeit, Beschleunigung und weitere Daten zu einander in Relation setzt. Ein kleines Rechnermodul erkennt dann an Hand der Informationen, ob ein Unfall vorliegt. Darauf wird über das Smartphone des Fahrers ein automatischer Notruf an die 112 gesendet, bei dem die Computerstimme auch die GPS-Koordinaten übermittelt werden. Die Einsatzleitstelle wird dann nicht nur die Rettungskräfte alarmieren, sondern auch versuchen, mit dem Gestürzten Kontakt aufzunehmen, sofern dieser über ein Bluetooth-Headset am Helm verfügt.
D-Guard ist außerdem mit einer manuellen SOS-Taste ausgestattet. Mit ihr können zum Beispiel Zeugen eines Unfalls einfach per Knopfdruck und über ihr eigenes Handy den Notruf ebenfalls automatisch absetzen. Da das System auf das Mobilfunknetz zurückgreift, ist der Motorradfahrer auch im Ausland im Falle eines Falles automatisch mit der dortigen Leitstelle verbunden. Das D-Guard-Modul sendet den Notruf dann in der entsprechenden Sprache.
Die D-Guard-Applikation verfügt über verschiedene Einstellungen und Möglichkeiten. So kann jederzeit ein Testdurchlauf vorgenommen werden, um zu sehen, ob alle Funktionen aktiv sind. Zudem ist es beispielsweise auch möglich, zusätzlich private Kontakte abzuspeichern, die bei einem Unfall ebenfalls automatisch per SMS oder E-Mail benachrichtigt werden.
Lutz Berger und sein Team haben ihre Soft- und Hardware unter vielfachen Bedingungen erprobt, darunter auch in Crashtests mit der Dekra. Digades ist von der Markttauglichkeit voll und ganz überzeugt. Sollte der Motorradfahrer der Ansicht sein, sein Sturz sei ohne Folgen, kann er den E-Call immer noch binnen 15 Sekunden deaktivieren. Wichtig ist nur, dass wenn er es in dieser Frist nicht rechtzeitig schafft, von sich aus bei der Leitstelle schnellstmöglich Entwarnung gibt.
D-Guard kann auch deaktiviert werden, wenn die Maschine beispielsweise bei Sportveranstaltungen im Gelände oder auf der Rennstrecke bewegt wird. Die E-Call-Funktion selbst schaltet sich ab etwa 20 km/h scharf, die Abschaltschwelle liegt niedriger. Reine Umfaller werden so nicht als Unfall wahrgenommen. Sollte bei einem Sturz die elektrische Versorgung des Motorrads zusammenbrechen, arbeitet D-Guard mit einer eigenen kleinen Notbatterie, die acht Jahre lang halten soll.
Die Kalibrierung der App hat Digades so einfach wie möglich gestaltet. Zudem können neben mehreren Adressen auch mehrere Motorräder hinterlegt werden.
Ein willkommener Nebeneffekt der Digades-Entwicklung ist die Diebstahlsicherung, die bei den ersten Kunden nicht selten genauso wichtig war wie der E-Call selbst. Auch sie funktioniert per App. Wird die Zündung abgestellt, aktiviert sich das System. Bei Erschütterungen durch Bewegung wird dann ein stiller Alarm auf dem Smartphone des Besitzers ausgelöst, wobei die Auslöseempfindlichkeit selbst festgelegt werden kann. Die GPS-Koordinaten werden anschließend zyklisch aktiviert, so dass in der Regel der letzte Standort des Fahrzeugs ermittelt werden kann. Mit einem einfachen Fingerdruck lässt sich die Positionen über Google-Maps in Landkartenansicht aufrufen. Auch hier kann bei Abwesenheit eine andere Mobilfunknummer, etwa des Partners oder eines Freundes, hinterlegt werden.
Ab kommenden Jahr wird Digades auch eine aktive Sirene als Diebstahlschutz am Motorrad anbieten. Hierfür gilt – wie für alle kommenden Weiterentwicklungen – das D-Guard voll upgrade-tauglich ist. Bereits fest geplant ist zum Beispiel für 2017 ein Tourentagebuch, das die Route sowie ein paar Fahrzeugdaten von der Durchschnittsgeschwindigekit bis zur maximal gefahrenen Schräglage auf dem Smartphone abspeichert.
Halbwegs versierte Laien können den Einbau des Moduls, des Sensors und der SOS-Taste sowie der GPS-Antenne mit Hilfe der Bedienungsanleitung selbst vornehmen. Ansonsten hilft die Werkstatt weiter. Je nach Motorrad und Einbauaufwand sollten etwa eine bis zwei Stunden einkalkuliert werden. Das E-Call-Set selbst kostet 479 Euro und kann im Digades-Webshop oder im Fachhandel erworben wird. Der Dienst selbst ist zunächst zwei Jahre kostenfrei, danach wird eine Jahresgebühr von etwa 30 Euro erhoben. (ampnet/jri)