Hart - aber herzlich
Im Schatten von Leistungs- und Speedrekorden hat sich die Thunderace in der Allroundecke eingenistet. Ob sie trotzdem ein Fall fürs Licht ist, klärt ein Fahrbericht.
Ihre Rehabilitierung hat sie der Gnade der Familienerweiterung zu verdanken. Ohne die R 1 würde die Thunderace immer noch den Frust darüber aus dem gewaltigen Motorgehäuse schütteln, dass Erwartungen nichts mit Veranlagung zu tun haben. Ihre Kindheit war ein großes Missverständnis. Nur weil sie schneller als die anderen über die Aschenbahn wetzen konnte, dämmerten den Eltern Visionen vom Platz in der Ruhmeshalle.
Die Stoppuhr tickte beim Training - und blieb meist die paar Zehntel zu spät stehen, die das Talent von der Ausnahmeerscheinung unterscheidet. Erst als Schwester R 1 die Bestenlisten neu schrieb, konnte sich das Donneras im Sportverein abmelden und da trumpfen, wo Knieschleifer Pause machen. Jetzt darf die YZF 1000 sein, was sie eigentlich immer schon war: Einfach ein sportlich orientierter Allrounder. Und ein ziemlich guter dazu.
Die ersten Punkte macht die Yam schon im Stand. Schwinge mit aus dem Vollen gefrästen Kettenspanner und Gewindeeinsätze für die Aufnahme eines Montageständers wiegen schwer wie die Rolex am Handgelenk. Respekt. Genauso wie das Hitzeschild am Auspuff gegen qualmende Socken oder die für Großserie exakte Passgenauigkeit des Plastikkleids. Gut abgehangen steht eben auch für Reifezeit. In gediegenes Rot/Silber getaucht, lehnt sich das Big-Bike elegant auf den Seitenständer. Auf einem Hauptständer sähe sie vermutlich nicht wenig schnieke aus - in Ermangelung des Mittelbocks lässt sich die Sichtweise allerdings nicht überprüfen. Klappen wir also den Seitenpin ein und erleben starke Wallungen dynamischen Ursprungs.
Der wassergekühlte Vierzylinder mit Yamaha üblicher Fünfventil-Technik und 1002 ccm Hubraum sticht wie ein Grand mit Vieren. Surfen knapp über Leerlaufdrehzahl? Bitte sehr. Ein kurzer Zupfer am Gasgriff zum souveränen Überholen im großen Gang? Kein Problem. Bei Bedarf den Horizont mit aufsteigendem Vorderrad wegkippen lassen? Erst recht. Dabei wird die satte Kraft von 146 PS und 108 Nm Drehmoment nie brutal, immer geschmeidig und jederzeit gut kontrollierbar eingeschenkt. Dass damit über 260 km/h gehen, ist nett. Nicht mehr.
Wichtiger ist die Stabilität des Fahrwerks. Ebenso wie die gesamte Ergonomie - die Vermeidung von Zweisamkeit gehört auch dazu - verleugnet die Bodenhaftung nie die sportlichen Versuche. Die Kehrseite der für den einen Sporttourer straffen Grundabstimmung von Gabel und Federbein mit leichten Komforteinbußen bei kurzen Stößen ist Stabilität bis ins tiefste Schräglagen. Plötzliches Abkippen und Trägheit beim Umlegen gehen aufs Konto der Pirellis. Um die Verzögerung der vollgetankt schlanken 233 Kilos (alles ist relativ) kümmern sich Bremsen der Extraklasse, deren einteilige Sättel die R 1 erben durfte. In der Thunderace arbeiten sie nicht weniger überzeugend: standfest, klar in der Rückmeldung und ungemein packend.
Die Zeit verschlafen hat das As lediglich beim Thema Abgasreinigung. Kein Sekundärluftsystem, geschweige ein Kat sorgen sich um die Entgiftung. Dass die Yamaha sich im Schnitt mit 6,1 Litern Sprit auf 100 Kilometern zufriedengibt, ist keine echte Rechtfertigung.
Fazit:
Es gibt bequemere Tourer und rassigere Sportler. Für die lustvoll-entspannten Momente im Leben ist die Kombination aus seidigem Antrieb, stabilem Fahrwerk und nobler Verarbeitung aber immer noch erste Wahl. Ein Fall fürs Seniorenheim ist die 1000er auf jeden Fall nicht.
2001er Model
01, 02, 03, 04,
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