Rasend schön erst auf den zweiten Blick
Sachs fährt mit der "Roadster 650" in der heiß umkämpften Biker-Mittelklasse
Kann sich das noch jemand vorstellen, dass es in einer Stadt wie Nürnberg über 50 Motorradfabriken gab. Das war in den 20er und 30er Jahren und schon in den 50ern verschwanden sie mit dem Siegeszug des Autos so schnell, wie sie entstanden waren. Der Konkurrenzdruck aus Fernost trug ein Übriges dazu bei. Lediglich BMW im Westen und MZ im Osten hatten in Deutschland überlebt.
Umso erstaunlicher, dass in diesem Frühjahr die Firma Sachs in Nürnberg - bislang eher bekannt für leicht motorisierte Zweiräder - ausgerechnet im heiß umkämpften Marktsegment der Motor- Biker-Mittelklasse sozusagen aus dem Nichts ein Motorrad auf den Markt bringt.
Und was die Bayern da anbieten, kann sich durchaus sehen lassen. Niemals zuvor sind wir bei der Ausfahrt mit einem Motorrad dieser Klasse so häufig befragt worden. Dabei ist die "Roadster 650" nicht unbedingt ein "eycatcher", sie fällt erst beim zweiten Blick auf und besticht dann durch schwungvolle Linienführung und die Beschränkung aufs Wesentliche. Einfach, funktionell und gut abzulesen sind alle Instrumente und Bedienelemente. Das Fahrwerk gibt auch weniger geübten Bikern keine großen Rätsel auf. Mit ihm korrespondieren auch die Pirelli-Radial-Tourenreifen ausgezeichnet.
Das nur 169 Kilogramm schwere Motorrad ist, wenn es erst mal rollt, sehr wendig. Der Lenkereinschlag dürfte allerdings für besseres Rangieren etwas größer sein. Die komfortable Sitzbank hat eine Höhe von 760 Millimetern. Dadurch wird die Maschine auch für kurzbeinige Menschen interessant. Bei veränderter Telegabel-Vorspannung kann man noch rund 150 Millimeter Sitzhöhe gewinnen.
Hinten sorgen zwei konventionelle Federbeine für ruhiges Fahrverhalten und viel Komfort. Bei der Telegabel vorne könnte noch etwas mehr Federweg nicht schaden, vor allem, weil die hervorragenden Grimeca- Bremsen mit ihrem Vierkolbensystem und den ziemlich großen Bremsscheiben (320 Millimeter vorn, 220 Millimeter hinten) die Gabel bis zum Gehtnichtmehr eintauchen lassen.
Für adäquaten Vortrieb sorgt ein bewährter Suzuki-Motor, der bei den Japanern beispielsweise in der "Freewind" verwendet wird. 50 PS und ein Drehmoment von 56 Newtonmetern liefern aus dem drehfreudigen Einzylinder ordentlichen Durchzug, beschleunigen das Motorrad in 4,9 Sekunden auf Tempo 100 und bringen es immerhin auf fast 170 km/h Spitzengeschwindigkeit. Nach dem problemlosen Kaltstart benötigt der Motor aber eine längere Aufwärmphase, um schließlich auch ohne Choke rund zu laufen. Und Führerscheinneulinge werden mit einer auf 34 PS gedrosselten Version bedient.
Für einen rustikalen englischen Klang sorgt ein Edelstahlauspuffrohr mit verchromtem Topf im "Classic Design". Tadellos arbeiten Kupplung, Getriebe und Schaltung sowohl einzeln als auch zusammen. Aber auch Schaltfaule dürften mit dem Motorrad ihre Freude haben.
Die 650er Sachs ist ein alltagstaugliches Motorrad für viele Gelegenheiten. Selbst der Zweipersonenbetrieb ist völlig problemlos. 12 490 Mark sind zwar nicht gerade ein "Sonderangebot", sie gehen aber als angemessen durch.
Ursprünglich wollten die Sachs-Manager mit einer 800er bei den ausgewachsenen Maschinen debütieren, aber die Branchen-Absatzzahlen des vergangenen Jahres sprachen eindeutig dafür, zunächst mit der "Kleinen" herauszukommen, denn bei den Zulassungszahlen liegen die Motorräder der Mittelklasse einsam an der Spitze. Selbst beim Edel-Hersteller Ducati ist eine 600er jetzt das bestverkaufte Motorrad aller Zeiten.
Sachs wird seinem selbstgesteckten Ziel "leicht zu handhabende Motorräder zu bauen, die technisch ausgereift sind, die in punkto Sicherheit, Fahrgefühl und Komfort keine Wünsche offen lassen und deren Anschaffungs- und Unterhaltskosten überschaubar sind", durchaus gerecht. Deshalb werden die Nürnberger ihre 800 Exemplare, die in diesem Jahr gebaut werden sollen, sicherlich absetzen. Und dann freuen wir uns schon auf die 800er, die im Sommer vorgestellt wird.
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