Rasender Küchenschrank
Sie ist nicht schön, sie kneift und zwickt. Wenn uns die Honda X-11 trotzdem überzeugt, hat das sehr schnelle Gründe.
Das kommt also dabei heraus, wenn sich die Einbauküche ohne Verhütung mit dem Orthopädiezubehör verlustiert. Das arme Kind. Muss mit einer Kühlerverkleidung wie ein Hängeschrank und einem Gestühl von der Üppigkeit einer Massagebank den grellen Spott der Lampenabteilung erdulden. Kein Thema, die Honda X-Eleven ist ein echter Hingucker. Aber einer, der für den zweiten Blick dankbar ist. Auf dem Pausenhof knutschen die anderen. Streifen die Schönlinge dann zum Sportunterricht die neuesten In-Klamotten über die dünnen Ärmchen, zwängt sich die Honda ins T-Shirt mit den Achselrändern unter den Achseln.
Trotz großzügigen Faltenwurfs werden dann unterm dünnen Textil schwellende Muskelberge sichtbar. Kein falsches Wort, sonst gibt´s höllisch was aufs Maul. Hier kommt der Klassenbulle. Zittern erlaubt. Schüttelt aus seinem 1137 ccm großen Vierzylinder 136 PS und verheißungsvolle 113 Nm Drehmoment. Den Antrieb kennen wir aus der CBR 1100 XX, wo er gewaltige Freudenfeuer entfacht. Alles wird gut.
Zumal das Aufsitzen den Blick vom Kühler ablenkt und rot unterlegte Instrumente ins Blickfeld zaubert. Hat was. Aber schade, zu früh gefreut. Schon drückt die Kante des Tanks, die eigentlich den Knieschluss bilden sollte, unfein auf die Knochen. Leider ist im Anschaffungspreis von 10.290 Euro kein japanischer Chauffeur im Bonsai-Format enthalten. Also selbst fahren - und rauf auf die Bahn, um Zweifel an dieser Investition abzusprengen. Wenn´s denn gut geht.
Und wie das geht. Nachdrücklich, gewaltig - eine Ode an die Kraft. Die X-11 stellt sich aufs Hinterbein und schiebt an wie ein Dragster auf Heimaturlaub. Völlig unangestrengt und souverän reißt die Leistung vibrierend an der Kette. Alles andere Unverkleidete schrumpft im Rückspiegel. Topspeed: über 240 km/h. Auf Dauer kein Thema, weil Nacken versteifend, aber die als Windabweiser ausgebildete Instrumentenverschalung ist viel mehr als ein Gimmick. Bis 160 km/h ist deutliche Entlastung spürbar. Jetzt lernen wir auch das hässliche Stück Plastik schätzen, das um den Kühler klotzt. Da hat Honda nämlich Lamellen eingesetzt, die bei höheren Tempi für Abtrieb sorgen sollen. Auch das funktioniert. Ruhig zieht die X-11 ihre Bahnen. Und das nicht nur geradeaus.
Beim Anblick von Kurven scheint sich das schwarze Monster freiwillig eines Zentners seiner vollgetankt 257 Kilos zu entledigen. Handlich und zielgenau wischt es durch, nur die Serienbereifung sorgt bei größeren Schräglagen für leichte Kippeligkeit. Das Fahrwerk arbeitet sensibel, ohne sich allzu großer Flauschigkeit verpflichtet zu fühlen. Ein dickes Lob verdient sich auch das Dual-Bremssystem, bei dem vorne und hinten immer gleichzeitig verzögert wird. Nach kurzer Gewöhnungsphase geht der Druckpunkt klar zur Hand, die Verzögerung schafft keine Sorgenfalten. Schade nur, dass Burn Outs damit Vergangenheit sind. Klar, oder? Nur vorne blockieren ist ja nicht. Da kann nur Omas Gartenmauer Abhilfe schaffen.
Als die Honda bei der Zigarettenpause auf dem Hauptständer knistert, die Verarbeitungskontrolle im "Ist eben Honda" endet und das Wissen um geregelten Kat das lustvolle Abfackeln von Benzin ökologisch legalisiert, dämmert die Bedeutung von inneren Werten. Jetzt noch eine neu gelegte Bügelfalte am Tank und ein Chokehebel am Lenker statt am Motor - und alles wäre wirklich gut.
Fazit:
Stopp! Nicht weg laufen. Die Honda X-Eleven hat eine Chance verdient. Optisch - sagen wir mal - leicht gewöhnungsbedürftig, ist das Power-Teil eine überzeugende Fahrmaschine. Druck und Schub serviert sie in allen Lagen. Wenn Honda die wenigen Macken behebt, haben nicht nur die Eltern dieses Baby lieb.
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