Das Ducati Desmosedici Projekt basiert auf Mut, Ehrgeiz, Stolz, technischer Versiertheit und einer bis dato bereits beachtlichen Rennsporthistorie. Dieses ambitionierte Vorhaben läutete die Rückkehr von Ducati in die MotoGP-Weltmeisterschaft ein und bot die ideale Plattform, die Tradition als Hersteller erfolgreicher Hochleistungs-Viertakt-Renn-Motorrädern fortzuführen.
Im Jahr 2003 kehrte Ducati in die Königs-Klasse des Motorrad-Rennsports zurück. Das spektakuläre Desmosedici Projekt begann bereits zwei Jahre zuvor unter strengster Geheimhaltung in der Ducati Rennabteilung in Bologna. Während das Engagement in der Superbike-WM mit unverändertem Engagement und Herzblut fortgeführt wurde steckte sich Ducati neue, noch höhere Ziele: Den Titel-Gewinn in Weltmeisterschaft für Viertakt-Prototypen Motorräder, der Moto-GP. Das Ducati Marlboro Team erwachte zum Leben.
„Die Philosophie des Ducati Desmosedici Projekts”, erklärte Filippo Preziosi, Generaldirektor von Ducati Corse, „besteht in der vollständigen Vernetzung von Motor, Fahrwerk und Fahrer. Dieses grundlegende Konzept stellte unser Leitmotiv dar von jenem Moment an, als wir diese neue Herausforderung in Angriff nahmen. Das Motorrad stellt eine wichtige Weiterentwicklung über die Ducati Superbikes hinaus dar und ist das Ergebnis neuer Konstruktionstechniken, die uns erlaubten, virtuelle Gestaltungs- und Analysemethoden mit unserer respektablen Renn-Erfahrung zu verbinden. Dies hat die Konstruktions- und Entwicklungszeit deutlich beschleunigt und uns in die Lage versetzt, von Beginn an auf den Rennstrecken überraschende Ergebnisse einfahren zu können. Ducati hat sich diesem Projekt vollständig verschrieben, was uns eine rasche Fortentwicklung ermöglicht hat und den Transfer neuer Technologien vom Rennmotorrad zu unserer Modellpalette für die Strasse. Als Ergebnis daraus sind unsere Serienmotorräder heute zuverlässiger, leistungsfähiger und aufregender als jemals zuvor.“
Zunächst dachten die Ducati MotoGP Techniker, eine Gruppe junger, passionierter Ingenieure mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren, über die Konstruktion eines MotoGP “Super-Twins” nach. Dieser hochmoderne V-Zweizylinder Prototyp hätte bedingt durch das Reglement einen klaren Gewichtsvorteil gegenüber Maschinen mit Vier-, Fünf- und Sechszylindermotoren mit sich gebracht. Detaillierte Analysen und zahllose Computersimulationen zeigten jedoch, dass ein Zweizylinder-Motor die angestrebte Höchstleistung von über 230PS nur mittels einer deutlichen Erhöhung der Motordrehzahl hätte erreichen können. Ein Zweizylinder hätte hierfür mehr als 17.000 U/min leisten müssen. Bei dieser Motorauslegung wäre ein sehr kurzer Hub mit extrem großer Bohrung nötig gewesen, was unter Umständen zu Problemen bei der Verbrennung geführt hätte.
Ducati entschied sich daher für die Konstruktion eines brandneuen V4-Motors. Dieser sollte die traditionelle Auslegung der Ducati 90° Zweizylinder-Motoren in L-Konfiguration weiterführen und mit desmodromischer Ventilsteuerung arbeiten. Diese Verknüpfung aus Tradition und Innovation war der richtige Weg. Der neue Motor wurde auf Grund seiner sechzehn (sedici) Ventile und deren desmodromischer Steuerung auf den Namen “Desmosedici” getauft. Die Zwangssteuerung der Ventile ist einer der Schlüsselfaktoren der zahlreichen Ducati Rennerfolge.
Das getestete V-90° Layout bietet zahlreiche Vorteile und hat einen entscheidenden Beitrag zu Ducatis Renn-Erfolgen geleistet. Die Zylinderanordnung in V-Form garantiert einen perfekten Ausgleich der Massenkräfte erster Ordnung, eine wichtigen Eigenschaft für Motoren, die Drehzahlen jenseits der 17.000 U/min erzielen müssen. Ein Minimum an Vibrationen ist elementar für mechanische Effizienz und Zuverlässigkeit.
Bei der desmodromischen Ventilsteuerung, vom legendären Ingenieur Fabio Taglioni für Ducati entwickelt, werden die Ventile zwangsgesteuert. Die meisten Hersteller setzen auf konventionelle Federn zum Schließen der Ventile. Bei steigender Drehzahl wird die Zeit, die die Feder für das Schließen des Ventils benötigt, zu einem kritischen Faktor. Die „Aussetzer“, die das Ventil beim exakten Befolgen des Nockenwellenprofils hat, drücken sich in niedriger Leistung aus. Bei der Desmodromik entfällt die Ventilfeder, stattdessen wird das Ventil mechanisch geschlossen. Das Ergebnis sind präzise Steuerzeiten in allen Drehzahlbereichen.
Für die ersten Tests im Jahr 2002 baute Ducati Corse zwei Versionen des Desmosedici Motors, einen mit herkömmlicher Zündfolge und einen, bei der zwei Zylinder gleichzeitig zünden (Twin pulse). Schnell wurde klar, dass die zweite Variante sämtliche Motorkomponenten deutlich stärker belastet, weshalb man sich für die erste Motorauslegung entschied. Dank einer Weiterentwicklung des Motors wurde die Desmosedici ab dem Jahr 2004 mit einer Twin Pulse Variante mit irregulärer Zündfolge ausgestattet. Die Fahrbarkeit verbessert sich durch diesen technischen Fortschritt noch weiter.
Ducati legte schon immer großen Wert auf hervorragende Leistungsfähigkeit und differenzierte sich von den Wettbewerbern durch mutige und innovative Entwicklungen. So auch beim Fahrwerk des Motorrades. Während andere Hersteller für ihre Rennmotorräder auf verschiedene Auslegungen eines Aluminium Brückenrahmens setzen besitzt die Desmosedici einen Stahl-Gitterrohrrahmen. Auf diese Rahmenbauweise setzt Ducati auch in der Superbike-WM – mit großem Erfolg.
Während der World Ducati Week 2004, dem größten Ducati Treffen weltweit, wurde die Sensation angekündigt: die Entwicklung der Desmosedici Race Replica, einer käuflichen Strassenversion des MotoGP-Rennmotorrades. Das Projekt Desmosedici RR war geboren. Mit der selben, traditionellen Hingabe und Entschlossenheit, die jede Ducati so besonders macht.
Unmittelbar darauf gingen bereits die ersten Bestellungen ein. Das leidenschaftliche Interesse der Ducatista machte schnell deutlich, dass die Vorhersage des Unternehmens von 300 zu produzierenden Motorrädern um ein vielfaches übertroffen werden würde. Binnen kurzer Zeit nahm das Projekt Formen an. Nur fünf Monate später lief bereits der neue Vierzylinder Desmo-Motor in L-Konfiguration auf einem Prüfstand der Ducati Forschungs- und Entwicklungsabteilung für erste Zuverlässigkeits- und Haltbarkeitstests. Mit diesen ersten Tests eines tatsächlich laufenden und gezündeten Motors konnten ebenfalls Belastungsdauer und –stärke der verschiedenen Komponenten überprüft werden, die ein solch leistungsstarker Motor mit sich bringt.
Unter Mitwirkung von Alan Jenkins, dem Designer der MotoGP Desmosedici, begann die Arbeit an der Aerodynamik und der Verkleidung, welche –auch aus ästhetischen Gründen- absolut identisch ist mit jener des Rennmotorrades. Die endgültige Version des Motorrades wurde in Mugello präsentiert, am Vorabend des Grand Prix von Italien in Mugello 2006. Bei der Enthüllung erstaunte das aggressive, stromlinienförmige Design alle Anwesenden: Die erste MotoGP Maschine mit Strassenzulassung war geboren! In der Zwischenzeit führte Vittoriano Guareschi, der offizielle Testfahrer der MotoGP Desmosedici, seine Testarbeit auf der Rennstrecke fort. Seine Erfahrungen lieferten dem Entwicklungsteam wertvolle Informationen für den Feinschliff in punkto Technologie und Styling an diesem Edelstein.
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